Ist die Verteilung nach dem Sozialindex gerecht?

Den Ländern wird vom Bund freigestellt, für die Verteilung der Mittel aus dem Startchancen-Programm an die Schulen eigene Sozialindizes zu erstellen, welche ein Mindestmaß der Kriterien Migrationshintergrund und Armutsgefährdung der unter 18-Jährigen erfüllen müssen. Diese Sozialindizes ersetzen den sog., bisher üblichen, Königsteiner Schlüssels, der stattdessen Einwohnerzahl und Steueraufkommen der Länder als maßgebliche Kriterien anwandte.

Berlin, das bei der Quote von Kinderarmut an Grundschulen bundesweit nur hinter Bremen liegt, erhält daher überraschenderweise fast neun Millionen Euro weniger als nach dem alten Schlüssel. Trotz der hohen Anzahl an Grundschulen, an denen über 30% der Kinder aus einkommensschwachen Familien kommen, scheint der neue Verteilschlüssel diese dringende Bedürftigkeit nicht adäquat zu berücksichtigen. Dies steht im Kontrast zu den Zielen des Programms und hat Kritik an der Effektivität des Sozialindexes ausgelöst. So bezeichnete Michael Wrase vom „Expert:innenforum Startchancen“ in einem Interview das Berliner Beispiel bereits Anfang Februar als Absurdität.

Baden-Württemberg dagegen profitiert signifikant von der neuen Verteilungsmethode, mit fast 16 Millionen Euro mehr als es der Königsteiner Schlüssel vorgesehen hätte. Dies wirft Fragen auf, da die Quote der Kinderarmut an Grundschulen in diesem Bundesland nur bei 0,8% liegt. Dies zeigt eine mögliche Diskrepanz zwischen der Intention des Sozialindex und seiner realen Anwendung, bei der Länder mit geringerem sozialen Bedarf unverhältnismäßig viel erhalten.

Dem entgegen betonte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger immer wieder die Bedeutung einer bedarfsgerechten Mittelzuweisung als zentralen Aspekt des Programms.

So profitieren beispielsweise Bremen und das bevölkerungsreichsten Bundesland NRW besonders von den neuen Sozialindizes: Für Bremen sind es über die Programmlaufzeit mehr als zehn Millionen zusätzlich, für NRW mehr als 165 Millionen Euro – immer verglichen mit dem aktuell gültigen Königsteiner Schlüssel.

Ob dieses Vorgehen tatsächlich eine Abkehr vom bisher gültigen “Prinzip Gießkanne” der bildungspolitischen Förderlogik ist, wird sich weisen.

Nordrhein-Westfalen (NRW) erlebt eine ähnliche Situation wie Bremen. Mit sehr hohen Kinderarmutsquoten an Grundschulen profitiert NRW erheblich von den neuen Regelungen und erhält über den Programmlaufzeitraum mehr als 165 Millionen Euro zusätzlich. Dies scheint dem Ziel des Sozialindexes zu entsprechen, der darauf abzielt, Ressourcen dort zu bündeln, wo sie am nötigsten sind.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Sozialindex in seiner aktuellen Form nicht konsequent diejenigen unterstützt, die es am meisten benötigen, und stattdessen zu einer ungleichen Verteilung der Mittel führt. Dies führt zu Kritik an der tatsächlichen Umsetzung des Programms, trotz politischer Versicherungen, dass eine bedarfsgerechte Mittelzuweisung ein zentrales Anliegen sei. Der Bedarf einer Überarbeitung des Sozialindexes wird klar, um die tatsächliche Verteilung der Bundesmittel an die soziale Bedürftigkeit der Regionen anzupassen und echte bildungspolitische Gerechtigkeit zu gewährleisten.

Quelle, Stand 19.04.24: Offizielle Mitteilungen des Bundes und des Expert:innenforum Startchancen

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Kritik am Sozialindex